Quadratisch, praktisch, gut? Europäischer Strom aus der Wüste

Summer sky

Immer wieder wird die Wüstensonne herangezogen, wenn es darum geht, die Leistungsfähigkeit der Solarenergie zu beweisen. Quadrate von z.B. 800 x 800 km Seitenlänge, in die Wüste eingezeichnet, sollen demonstrieren, dass eine relativ kleine Fläche zur Deckung des Weltenergiebedarfs ausreichen könnte.

Inzwischen wird dieses Konzept mit dem Namen DESERTEC verbunden (dahinter steht u.a. der Club of Rome). Ein hochrangig besetztes Industriekonsortium (u.a. ABB, EON, Deutsche Bank, RWE, München Rück, SCHOTT Solar und SIEMENS) will die Vision „Wüstenstrom für Europa“ in die Tat umsetzen. Dazu soll ein Unternehmen gegründet werden, das Medienberichten zufolge in den nächsten 40 Jahren 400 Mrd. Euro in afrikanische Solarthermie-Kraftwerke investieren will, die 15% des EU-Energiebedarfs decken sollen. Große Worte!

DESERTEC stößt allerdings (auch innerhalb der Solarszene) nicht nur auf Zustimmung. Die grüne Fraktion mit Hans-Josef Fell lobt das Projekt als Ergänzung zu inländischen dezentralen Anlagen. Kritisch dagegen der „Solarpapst“ Hermann Scheer (SPD/EUROSOLAR). Er spricht von einer Fata Morgana. Seine Kritikpunkte: Machbarkeitsfragen, die Konzentration auf eine zentralistische Großtechnologie und die Verteilung der Wertschöpfung. Auch das Forschungsprojekt „SEPA“ äußert sich differenziert.

Klar ist: Erneuerbare sind im Kapitalismus angekommen. Das ist gut, weil es deren Durchsetzung erheblich beschleunigt. Gleichzeitig haben sie damit ihre Unschuld verloren – und müssen spätestens jetzt dem selben kritischen Blick standhalten wie andere Branchen.

Till Westermayer

(Zweitnutzung von blog.gruene-bw.de)

8 Antworten zu “Quadratisch, praktisch, gut? Europäischer Strom aus der Wüste

  1. Hans-Josef Fell sieht allerdings wie ich auch die Auswahl der Beteiligten kritisch: Wie bei Offshore-Wind und wie einst bei GROWIAN könnte es den Energieproduzenten EON und RWE darum gehen, mit Staatsförderung dabei zu sein, zugleich aber die Entwicklung zu verlangsamen um weiter ihre Alt-AKWs zu legitimieren.

    Anders übrigens Joschka Fischer: Der meinte letzthin bei seinem Besuch in Tübingen auf meine diesbezügliche Frage, die Zeit von GROWIAN sei längst vorbei und die Energiekonzerne wollten einfach Geld verdienen – und schon deshalb würden sie Desertec nicht verlangsamen sondern vorantreiben wollen.

    Skepsis ist durchaus erlaubt.

  2. Skeptisch bin ich ja auch. Die Theorie, dass EON und RWE vor allem dabei sind, um zu bremsen, teile ich allerdings nicht. Ich habe durchaus den Eindruck, dass die großen Energiekonzerne begriffen haben, dass sie nicht dauerhaft als Fossil-Atom-Konzerne bestehen können. Meine Skepsis ist eher, dass mit den Quasimonopolisten auch entsprechende Denk- und Infrastrukturen aufgebaut werden.

  3. Pingback: Zukunftsmodell Sonnenstrom aus der Wüste | energynet

  4. Es ist doch auch eine CHance für „den Süden“ (hier: Marokko) mal selbstbestimmt was zu machen – und wenn es auch nur Energieexport ist. Da AREVA lieber Atomkraftwerke in der Wüste will (Kühlung???) könnte dieser Wettbewerb evtl sogar dem Süden helfen.
    Wir haben dazu bei der hbs auch gebloggt:
    http://www.klima-der-gerechtigkeit.de/en/english-desertec-an-european-adventure-in-morrocan-hands/
    http://www.klima-der-gerechtigkeit.de/green-development-deal/

  5. Die Idee finde ich eigentlich ganz gut, allerdings sollte man sich nicht nur auf diese großen Projekte ausruhen, denn in dem ganzen Thema Solarenenergie steckt noch so viel potential. Da kann jeder etwas machen.

  6. Man muss mit den Aussagen der Photovoltaik-Branche aufpassen, weil die an dem Projekt nix verdienen können bzw vielmehr Angst um ihre Marktanteile bekommen. Generell halte ich das Projekt für gut will aber die Umsetzungsprobleme auch nicht wegwischen. In Nevada (USA) gibt es bereits eine vergleichbare Anlage die nun in Nordafrika/NäherOsten groß skaliert werden soll. Zur Technik bzw deren Effizienz habe ich keine Sorgen. Aber zum Betrieb und konkret der Versorgung – Es gibt keine gemachte Infrastruktur, kein gemachtes Nest. Man braucht Wasser für die Dampfturbinen – Viel Wasser, was es in der Gegend nicht gibt. Also müssen auch Meerwasserentsalzung mit rein. Betriebskosten? Ist nicht so wichtig, sondern die lokale Bevölkerung. Was sind deren Vorteile wenn wir deren Land nutzen? Die wollen auch etwas vom Strom und Wasser abhaben – Verschenken ist nicht. Daher ist das auch ein Politikum weil man in den Zielländern auch einen anreizkompatiblen Absatzmarkt kreieren muss der sich die Rechnungen leisten (Ansonsten werden irgendwann die Sicherheitskosten ein Problem). Also bitte, einfach reingehen und nehmen was man will ist in der Geschichte schon immer gescheitert. Es ist eine große Gelegenheit die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Zielländern zu stimulieren – Hat der Westen das nicht so oder so versprochen? Daher können Projekt-Gegner nicht wirklich mit eingeschränkten heimischen Kostenkalkülen argumentieren deren Annahmen verfehlt sind. Totrechnen geht immer – ist eine Fingerübung.

  7. Noch was. Marrokko hat das neue Energiengesetz als Blueprint benutzt. Institutionell braucht man sich keine großen Sorgen machen. Auch Ägypten hat bereits gute Erfahrung im Infrastrukturbau mit dem großen Elektroladen aus Erlangen gemacht. Ich will damit nur sagen das das Konsortium nicht aus Greenhorns besteht.

  8. Dass nun der Moment gekommen ist, an der die Solartechnik ihre Unschuld verloren hat, im Sinne einer Verlagerung von ökologischen hin zu ökonomischen Interessen, ist aus meiner Sicht nicht zu verteufeln, sondern kann den Erneuerbaren Energien nur zugute kommen. Zurzeit werden selbst noch von Journalisten die Solarthermie und die Photovoltaik gerne über einen Kamm geschoren (z.B. bei Artikeln über Desertec mit abgebildeten PV-Modulen).
    Allein über die wachsende Präsenz der Themen Wüstenstrom und die gegenwärtige Diskussion über die Einspeisevergütung bei deutschen PV-Dächern führt langfristig zu mehr Wissen und Akzeptanz bei den Menschen, unabhängig davon ob einzelne Großkonzerne oder Konsortien bestimmte Projekte nun tatsächlich realisieren.

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